Samstag, 30. Dezember 2017

Aging

Im Hotelzimmer
Mir tut mein linker Mittelfinger weh. 
Morgens wenn ich aufwache, ist es am schlimmsten.

Freund Todde meint, das käme davon, dass ich ihn zu oft benutze … den Mittelfinger.

Als ich noch Vespa fuhr, da musste ich halt den linken Mittelfinger nehmen und mich mit den anderen Verkehrsteilnehmern zu verständigen. 
Denn rechts war der Gashebel … und ich tat den Teufel, vom Gas zu gehen, indem ich den "Effenberger" mit rechts machte.
So fuhr ich, Sommers wie Winters, ohne Handschuhe, zog auch die schwergängigen Kupplung mit links … das hab ich nun davon.

Vermutlich der Anfang einer Arthrose … ich denke ich werde alt.




Alt werden ist eigentlich nicht schlecht, die Dinge des Lebens, dieser Haufen von Strandgut den die Jahre hinterliessen, ist eine Schatztruhe, ein Fundus, eine Paraphernalia, eine Fundgrube.
So laufe ich am Saum meines inneren Oceans entlang und finde-wieder und entdecke-neu.

Ein altes, inzwischen kaputtes, Röhrenradio erinnert mich an den Tag an dem Chet Baker mir Kafi kochte.
Eine ausgebrannte Purpfeife bringt mich zum lächeln über meine vergeblichen Versuche zu kiffen.
Nach etwa 5-6 Horrortrips gab ich auf.
Mein alter Fahrradtacho, wohlgemerkt noch analog betrieben … ohne Batterie! … das Rad gibts schon lang nicht mehr … es brachte mich 5 Jahre lang, täglich 40 Km zu meinem ersten Job als Archtekt. 
Ein grüner TK-Stift liegt daneben und ein eingetrockneter Rapi, geklaut im Hamburger Büro … das es auch schon ewigs nicht mehr gibt … Rapidographen ebenso nicht.
Dann fühl ich mich wie ein Dinosaurier, wenn ich erinnere, wie ich am Telefon die Wählscheibe malträtiere um in den 80ern „Die beste aller Freundinnen“ anzurufen … / … SMS was ist das? … und WhatsApp … ein grosses „HÄÄÄÄ !???“

Gestern nun, ich hatte mal keinen Job, verbrachte den Tag auf meinem Sofa, im Supermarkt und mit einem zügigen Spaziergang, sass Foftain🅰️ auf ebendiesem Sofa, als ich wieder heim kam.
Vor ihm auf dem Tisch der Whiskey, den ich für mich gekauft hatte, die Flasche halbleer, das Glas randvoll.
Ich schnaufte wohl heftig vom Laufen, denn er begrüsste mich mit: „Na Alterchen … gehts noch?“
So liess ich mich neben ihm aufs Sofa plumpsen, schnappte mir das Glas und fauchte ihn an, er solle seine Pfoten von meinem Whiskey lassen.
Foftain anmotzen ist ungefähr so sinnvoll wie zu versuchen eine Betonwand mit Wattebäuschchen abzubrechen. Er zog eine Augenbraue hoch und empfahl mir runter zu kommen.
„Was willst Du hier??“ zischte ich ihn an … „Wo warst Du die letzten anderthalb Jahre“

„Du hast mich nicht gebraucht! Es geht Dir gut … bis jetzt! … jetzt brauchst Du mich wieder … also !!! … voilà! … ich bin da!“

„Wieso brauche ich Dich? … wofür?“

„Weil Du Angst vor der Reise hast … Dir fehlt der Mumm ins Blaue zu fahren und hast Schiss keine Hotelzimmer zu finden, allein zu sein und Langeweile zu haben. Dir fehlt der Mut, mein Freund!! … darum bin ich da … und Dein Stinkefinger sei eingerostet, habe ich gehört ?! … Du wirst alt mein Alter“ 

So plauderten wir über dies und das. Er war ungewöhnlich aufgeschlossen, klopfte mir immer wieder auf die Schulter und langsam kam der alte Speuz wieder, die Lust aufs Abenteuer.

Die Flasche war wohl leer als ich einschlief … und als ich heute am Morgen erwachte war ich allein.
Noch im Halbschlaf fiel mir auf, wie ähnlich sich die Worte "Alter" und "Angst" sind

Auf dem Tisch lag ein Zettel von ihm:
🅰️ Für alle, die Foftain nicht kennen, hier ein LINK



Ravensburg 30.12. 2017

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